Daten zur Mikroplastikbelastung in vollständig umschlossenen menschlichen Organen fehlten bislang noch. Die Forschungsgruppe um die Mediziner Kun Hua und Xiubin Yang von der Hauptstadtuniversität Peking wollte daher untersuchen, ob Mikroplastik im menschlichen Herzen und den umliegenden Geweben vorhanden ist.
Für die Pilotstudie wurden bei einer offenen Herzoperation an 15 Patienten Gewebeproben verschiedener Teile der Herzens (u.a. Herzmuskel und Herzohr) entnommen. Das Ergebnis: Es wurden neun Arten Mikroplastik in fünf Gewebearten gefunden. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden Welche gesundheitlichen Folgen hat Mikroplastik für den Menschen? Rund fünf Gramm Mikroplastik nimmt jeder Mensch pro Woche auf. Das meiste wird durch den Darm wieder ausgeschieden. Doch kleine Teile bleiben in unseren Organen. Welche Auswirkungen hat dieses Mikroplastik in uns auf unsere Gesundheit? Dieser Frage ist Dr. Karsten Grote von der Universität Marburg zusammen mit Kolleg*innen nachgegangen. Das Team hat untersucht, wie Mikroplastik auf Immunzellen und Blutgefäße wirkt. Die Wissenschaftler*innen verabreichten Mäusen über den Magen Partikel von reinem Polystyrol – einem der vier häufigsten Plastikmaterialien. Das Ergebnis:
Das Plastik setzte sich in der Leber der Tiere fest und führte dort zu Entzündungsreaktionen. Lässt sich dieses Ergebnis auf den Menschen übertragen? "Ja, auf jeden Fall", sagt Grote im Gespräch mit GEO. Und was bedeutet das für uns? "Dass Mikroplastik für uns Menschen ein zusätzlicher Risikofaktor für Erkrankungen ist, die durch Entzündungen vorangetrieben werden. Wie Diabetes – aber auch Tumorerkrankungen, also Krebs."
Hinzu kommt: Das Plastik, das den Mäusen verabreicht wurde, war sehr rein und sauber, fast steril. "Das Mikroplastik, mit dem wir konfrontiert werden, ist völlig anders", sagt Grote. "Auf dem Plastik sitzen alle möglichen Substanzen: Feinstaub, Allergene wie Hausstaub, Pilzspuren, Bakterien und Umweltgifte wie Pestizide. Dieses Mikroplastik ist also gefährlicher als das, welches wir verwendet haben."
Grote und sein Team sehen Mikroplastik aufgrund der Ergebnisse ihrer Untersuchungen als einen neuartigen Risikofaktor für Gefäßerkrankungen bei Menschen. Daher halten sie eine neue Risikobewertung für Mikroplastik erforderlich.
Plastik: Für uns praktisch – für Tiere jetzt schon tödlich
Doch warum gibt es überhaupt so viel Plastik auf der Welt? In den 1950er Jahren, also nach dem zweiten Weltkrieg, entstand durch das Wirtschaftswunder der Massenkonsum. Die Menschen gerieten in eine Art Kaufrausch. Und Plastik eignete sich nicht nur als Verpackung für Waren perfekt. Seitdem wird es überall eingesetzt: als Toilettenspülung, Trinkflasche, Lichtschalter. In den letzten 70 Jahren hat die Produktion exponentiell zugenommen.
Um mögliche Auswirkungen auf Tiere und Umwelt haben sich die Menschen lange keine Gedanken gemacht. Heute wissen wir: Plastik ist verheerend für die Umwelt. Bis zu 12,2 Millionen Tonnen Plastik gelangen jedes Jahr in unsere Ozeane. Das entspricht einer Lastwagenladung pro Minute. Die größte Müllinsel im Ozean ist ca. 1,6 Millionen Quadratkilometer groß und damit fast fünf Mal so groß wie Deutschland. Pro Sekunde werden 160.000 Plastiktüten benutzt – 10 Prozent davon landen in unseren Ozeanen. Und werden von Tieren gegessen, welche daran verenden.
Mikroplastik hat gesundheitliche Folgen für Fische und Zooplankton Als Mikroplastik werden laut WWF feste, wasserunlösliche Kunststoff- Mikropartikel definiert, die fünf Millimeter oder kleiner sind. Viele Fische halten die Partikel für Nahrung und fressen sie. Chinesische Forschende haben herausgefunden, dass die Aufnahme von Mikroplastik schwere gesundheitsschädliche Folgen für die Fische haben kann. Wie etwa eine verringerte
Nahrungsaufnahme, verzögertes Wachstum, strukturelle Schäden an inneren Organen und negative Auswirkungen auf das Verhalten und die Fruchtbarkeit. Auch in einer anderen Studie haben Forschende aus Portugal herausgefunden, dass Mikroplastik zu einem Rückgang der Fruchtbarkeit von Zooplankton führt. Und somit Auswirkungen auf die Fortpflanzung und das Fortbestehen von Arten hat. Welche Auswirkungen das Plastik in uns auf unsere Gesundheit hat, werden weitere Untersuchungen zeigen müssen.
Können wir verhindern, dass Mikroplastik in unseren Körper gelangt? Vermutlich gar nicht (mehr). Wir können aber etwas dafür tun, dass wir weniger Mikroplastik aufnehmen. Laut Dr. Grote sei es besser, auf dem Land als in der Stadt zu leben, da man dort weniger Feinstaub durch den Autoverkehr einatmen würde. Dieser bestehe zu 30 bis 40 Prozent aus Mikroplastik.
Tatsächlich zeigte die vielbeachtete UMSICHT-Studie(Bertling 2018) des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik, dass der Reifenabrieb durch LKWs und Fahrräder mit Abstand zu der größten Mikroplastik- Belastung in Deutschland führt. Ein Drittel der Mikroplastik-Emissionen entfallen der Studie zufolge darauf.
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, könnten Elektro-Autos das Problem noch verstärken. Denn diese seien ein paar Hundert Kilogramm schwerer als Autos mit Verbrennungsmotor und hätten mehr Leistung – beides führe zu mehr Reifenabrieb.
Natürlich kann und möchte nicht jeder auf's Land ziehen. Helfen kann auch, zu versuchen, kein Mikroplastik mehr über die Nahrung zu sich zu nehmen. Und etwa keine Muscheln mehr zu essen. Denn diese nehmen Mikroplastik im Meer wie ein Schwamm auf. Fisch zu reduzieren, hilft auch. Ebenfalls hilfreich: Wasser aus Glas- statt aus Plastikflaschen trinken und den Käse von der Theke holen, und nicht aus dem Regal mit den Plastikpackungen. Denn auch so können kleinste Plastikteile in unseren Körper gelangen. Seinen Plastikkonsum zu reduzieren, ist letzlich nicht nur gut für die Umwelt – sondern auch für unsere Gesundheit.
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